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Alle anzeigenIm Studienraum können Sie sich eingehender mit den 150 Indiennes befassen, die aus der Sammlung des angesehenen internationalen Experten für historische Textilien Xavier Petitcol stammen und 2016 vom Schweizerischen Nationalmuseum erworben wurden.
Eine interaktive Multimediastation erlaubt eine eingehende Betrachtung jedes einzelnen Stoffs. Dank diesem innovativen Tool lassen sich Besonderheiten erkennen, spezifische Manufakturen kennenlernen und verschiedene Drucktechniken unterscheiden. An einer Suchstation kann die Onlinesammlung des Schweizerischen Nationalmuseums abgefragt werden.
Das Nationalmuseum bewahrt die bedeutendste Schweizer Textilsammlung auf. Mit dem Erwerb von rund 150 Indiennes aus der Sammlung des renommierten internationalen Sammlers Xavier Petitcol vermochte es 2016 eine wichtige Lücke zu schliessen. Denn obschon der Kattundruck für eine der grossen wirtschaftlichen Erfolgsgeschichten der Schweiz des 18. Jahrhunderts steht, existieren nur noch wenige und oft unzureichend dokumentierte materielle Belege. Die bedruckten Baumwollstoffe in den öffentlichen Schweizer Institutionen sind also nicht nur rar, sondern lassen sich selten zweifelsfrei konkreten Manufakturen zuweisen. Das betraf auch die Sammlung des Schweizerischen Nationalmuseums, die vor allem aus mehrheitlich unidentifizierbaren Kleidungsstücken, Inneneinrichtungsstoffen und Druckmodeln bestand. Bis 2016 verfügte kein Schweizer Museum über eine nennenswerte Serie aus Kattundrucken, die in Frankreich von schweizstämmigen Tuchdruckern hergestellt worden waren. Die Stoffe der ehemaligen Sammlung Xavier Petitcol bestechen nicht nur mit ihrem meist erstaunlich guten Zustand, sondern vermögen jene entscheidende Rolle zu dokumentieren und greifbar zu machen, die manchen Schweizern in der Geschichte des Kattundrucks zukommt.
Ein weiterer unbestreitbarer Vorzug der Sammlung Petitcol ist ihr hoher Anteil an Stoffen mit einem sogenannten «chef de pièce»: Rund 20 der 150 vom Nationalmuseum erworbenen Stoffe verfügen über solche Manufakturkennzeichen. Nach der Aufhebung der französischen Prohibition im Jahr 1759 waren die Hersteller verpflichtet, ihre Stoffbahnen an beiden Enden mit Firmennamen und Druckort zu versehen. Zuverlässige Manufakturzuschreibungen sind heute oft nur dank solchen Kennzeichen möglich.
Die Manufakturkennzeichen der aus der Sammlung Xavier Petitcol erworbenen Stoffe belegen eine starke Präsenz von Schweizern in Frankreich, ob in Lyon (Picot Fazy aus Genf), Nantes (Favre Petitpierre und Gorgerat aus Neuenburg), in der Normandie (Abraham Frey aus Genf) oder in Beautiran bei Bordeaux (Jean-Pierre Meillier aus Neuenburg).
Ein weiteres Auswahlkriterium bestand in einem Schweizbezug der Motive. Diese Stoffe zeugen zum Beispiel von der Popularität von Persönlichkeiten wie Jean-Jacques Rousseau und Jacques Necker oder einer europaweiten Faszination an der Schweiz und ihren Landschaften und Mythen. Zudem gab es Stoffgestalter, die sich an Druckgrafiken von Schweizer Künstlern oder der Tellsgeschichte orientiert hatten.
Nouveau Centre des indiennes au Musée national suisse – Château de Prangins
Helen Bieri Thomson, 12/2020